Nachruf Padre Paco (18.03.1931 - 30.06.2022)

Geboren ist Padre Paco als Galizier in der Diözese Santiago de Compostella. Eine Schwester wurde Ordensfrau, ein Bruder Jesuitenpater in Spanien. Paco entschied sich nach einer ersten Kaplansstelle in Santiago für die Mission, kam in die Diözese Sucre in Bolivien und begann sofort mit der Schüler- und Studentenarbeit. Dem dortigen Kardinal Maurer war die Arbeit von Paco bald zu politisch und so wechselte er in die Diözese Potosi. Dort war er in der verarmten Bergarbeiterstadt Potosi (4200m ü.M.) sehr willkommen. Reiche Zinnbarone beuteten mit internationalen Konzernen die Rohstoffe aus. Die Bergarbeiter und Bauern im Hochland der Anden blieben arm, ließen ihre Gesundheit in den Bergstollen, lebten perspektivlos in ihren Wellblech- und Lehmhütten.

Paco analysierte mit den Bergarbeiterkindern die politische, wirtschaftliche, schulische, gesundheitliche und familiäre Lage im Lichte des christlichen Evangeliums. Paco organisierte Schüler und Studenten in dem internationalen Verband der katholischen, studierenden Jugend (KSJ).

Aktionen wurden geplant, wie der Unterricht in den Schulen und an der Universität verbessert werden kann. Die Jugendlichen reflektierten mit Paco in Gruppen Woche für Woche ihr Leben, ihre Situation, ihr Land. Sein Pfarrhaus wurde zu einem Schüler- und Studentenzentrum, in dem täglich diskutiert, gelacht, geplant und gebetet wurde.

In der Zeit der Militärdiktaturen musste sich Paco zeitweise verstecken. Seine politisch geprägte pastorale Arbeit war unerwünscht und störte die Militärs.

1985 wurde die Pfarrei Yura mit 40 indigenen Bauerngemeinden vakant. Die Studenten ermunterten Paco, mit den indigenen Bauern zu arbeiten, weil sie zu den Ärmsten im Land gehören. Viele junge Bauernfamilien verließen ihre Dörfer im Hochland der Anden, füllten die Armenviertel der Stadt und verloren neben ihrer Existenz auch ihre Würde und indigene Kultur.

Paco übernahm die Pfarrei Yura zusammen mit seinen Studenten. Er bildete Teams und fuhr mit ihnen in die Dörfer. Manche Siedlungen konnten mit dem Jeep in 4,6,8 oder 12 Stunden erreicht werden. Oftmals war der Fluss die Straße. Manche Dörfer waren nur zu Fuß erreichbar.

Paco gründete die gemeinnützige Organisation ISALP (Verein zur sozialen, landwirtschaftlichen und juristischen Förderung der indigenen Dorfgemeinschaften im Bundesland Potosi). Einige seiner Studenten bekamen eine feste Anstellung als Betriebswirt, Agraringenieur, Bauingenieur und Rechtsanwalt. Sie entwickelten mit den Dorfgemeinschaften zusammen Trinkwasserbrunnen, Gewächshäuser, Internate, Flussverbauungen, Regenwasserrückhaltebecken, Wollverarbeitung, eine Lama-Trockenfleischproduktion und vieles mehr. Investoren mussten jeweils gefunden werden bei internationalen Hilfswerken oder auch bei uns in Heilig Blut/Rosenheim.

So wie mit den Studenten hat Paco auch mit den Bauerngemeinden ihr Leben reflektiert, ihr Leben im Dorf, ihre familiäre Situation, ihre Kultur und ihre Perspektiven. Bei allen Projekten waren die Bauern selbst die Ideengeber. Die Bauern selbst haben das Geld verwaltet, die Materialen eingekauft, die Arbeit organsiert und die Pflege der Projekte übernommen.

Paco hat mit seinen Teams die Bauern, die Frauen und Männer, organisiert im Dorf und in der Region. Sie sind selbstbewusster geworden, vertreten ihre Interessen in der kommunalen Regierung und fordern Investitionen in die Infrastruktur, in Straßen, Stromleitungen, Trinkwasser, Gesundheit und Schulen, ein.

Mittelpunkt aller Gespräche, Versammlungen war immer wieder der gemeinsame Gottesdienst. Paco predigte dabei oftmals nicht, sondern stellte Fragen, verteilte Aufgaben und ließ die Bauern in Rollenspielen ihr Leben vortragen. So kamen die Bauern selbst zu Wort und reflektierten ihr Leben im Lichte des Evangeliums.

Paco hat es mit seinen Rechtsanwälten geschafft, dass die indigenen Dorfgemeinschaften das Land, das sie bewohnen und bewirtschaften notariell überschrieben bekamen. Es gehört jetzt der Dorfgemeinschaft und ist unverkäuflich. Das Dorf regelt selbst, wer welche Fläche bewirtschaften und bewohnen darf. Vieles läuft in Gemeinschaftsarbeit, vor allem das aufwändige System der Bewässerungskanäle, ohne die eine Landwirtschaft gar nicht möglich wäre.

Während in den Städten oft verächtlich auf die „Indios“ und ihre Bauernkultur herabgeschaut wird, hat Paco den Bauern gegenüber großen Respekt gezeigt für ihre vielfältigen Formen der Gemeinschaftsarbeit, für ihre Ahnenkultur und den Reichtum ihrer Feste, Lieder, Tänze, Instrumente und einzigartigen Webarbeiten. Er hat sie ermuntert, ihre alten Traditionen zu pflegen und sie auf die vielen christlichen Werte verwiesen, die sie schon seit Jahrhunderten leben.

Bis zuletzt hat er die Schüler- und Studenten in seinem Pfarrhaus in Potosi versammelt, Gruppenleiter motiviert und Gottesdienste gefeiert. Sein Hilfswerk ISALP mit Planungsbüro und Rechtsanwaltskanzlei war gleich nebenan. Die Chefs kamen gerne beim Abendessen vorbei. In einem Raum hat Paco ein kleines lokales Fernsehstudio eingebaut. Sonntag für Sonntag hielt er eine kurze Ansprache zum Sonntagsevangelium, die gerne in der Stadt gehört wurde.

Einen Ruhestand konnte er sich nie vorstellen. Jeder Gast wurde sofort zu Tisch gebeten und mit humorvollen Anekdoten unterhalten. Er war ein fröhlicher Mensch und liebte es, mit jungen Männern und Frauen an einer gerechteren Welt zu arbeiten. In Coronazeiten haben ihn die Studenten mit sanftem Druck in Quarantäne gesetzt, um ihn zu schützen. Bei klarem Verstand und inmitten seiner Arbeit und seines Teams ist er letztendlich einer Lungenentzündung erlegen. Er bleibt bei uns, jetzt und für immer, schrieben mir seine Mitarbeiter.

Gott sei seiner Seele gnädig. Sein Werk und sein gelebtes Christsein bleiben uns Auftrag, die Ärmsten dieser Welt nicht zu vergessen, unsere Brüder und Schwestern.

Christof Langer